BSW-Politiker über den Kurs ihrer Partei: „Wo Wagenknecht draufsteht, muss auch Wagenknecht drin sein“

Bei der Bundestagswahl ist das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert. Wie kann es bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr besser laufen? Die Wähler müssten sich darauf verlassen können, dass die Partei für das steht, was sie mit der Politik von Sahra Wagenknecht verbinden, schreiben die BSW-Politiker Alexander King (Berlin), John Lucas Dittrich (Sachsen-Anhalt) und Stefan Roth (Brandenburg).
Haben die Wähler in Deutschland den Willen und den Mut, neue Wege zu gehen, das Althergebrachte, die alten Parteien hinter sich zu lassen? Wer sich den neu gewählten Bundestag anschaut, könnte daran zweifeln: Deutschland und die Welt, die uns umgibt, verändern sich rasant – Krieg, Hochrüstung, Wirtschaftsflaute, Demokratiekrise, Sozialabbau, wachsende Armut. Und im Bundestag bleibt alles beim Alten. Dieselben Parteien wie zuvor teilen die Sitze unter sich auf. Die x-te Neuauflage der schwarz-roten Koalition steht an.
Aber wer genauer hinschaut, sieht: Eine neue Partei, die erstmals antrat, erzielte knapp fünf Prozent aus dem Stand: das BSW. Das sind zweieinhalb Millionen Wähler. Und die AfD, die vor acht Jahren erstmals in den Bundestag einzog, erzielte mehr als 20 Prozent. Für deutsche Verhältnisse ist das ein Erdbeben. Ein Viertel der Wähler war bereit, die Parteien zu wählen, die vom politischen und medialen Establishment eigentlich als unwählbar dargestellt wurden. Noch deutlicher in Ostdeutschland: In den Landtagen von Thüringen, Brandenburg und Sachsen besetzen BSW und AfD zusammengerechnet je ungefähr die Hälfte der Sitze. Die Wähler suchen also durchaus nach Alternativen zu den bisherigen politischen Verhältnissen.
Das BSW muss gerade dort, wo der Veränderungswille am stärksten ist, nämlich in den ostdeutschen Ländern, das Bestehende besonders deutlich infrage stellen, den Protest gegen die herrschende Politik aufgreifen und artikulieren.
„Im Zentrum unserer Politik steht der Frieden“Dass es eine Vertretungslücke im deutschen Parteiensystem gibt, war die Grundanalyse bei der Gründung des BSW. Das BSW hat begonnen, diese Lücke zu füllen, wie zweistellige Ergebnisse im Osten sowie sechs beziehungsweise fünf Prozent bei EU- und Bundestagswahl nur wenige Monate nach der Parteigründung eindrucksvoll gezeigt haben. Entscheidend dafür war, dass Sahra Wagenknecht seit vielen Jahren für genau das politische Profil steht, mit dem das BSW an den Start gegangen ist.
Im Zentrum unserer Politik steht der Frieden. Im Bundestag und im Bundesrat haben zuletzt alle alten Parteien – von Union bis Linke – mitgetragen, dass künftig Milliardenbeträge in die Aufrüstung gepumpt werden. Diese Mittel fehlen nicht zufällig im Sozialstaat. Sie werden ihm systematisch entzogen. Die Wirtschaft soll mit Waffenproduktion angekurbelt werden, während soziale Infrastruktur abgebaut wird. Kindergärten, Krankenhäuser und kommunale Daseinsvorsorge verfallen, aber für Panzer, Drohnen und Kriegsetats scheint unbegrenzt Geld da zu sein. Das ist kein Sicherheitskonzept, das ist sozialpolitischer Wahnsinn. Das BSW steht als einzige Partei an der Seite der Friedensbewegung.
Alle kulturellen und zivilgesellschaftlichen Brücken nach Russland abzubrechen, Städtepartnerschaften auf Eis zu legen, die wirtschaftlichen Beziehungen zu beenden – das alles war ganz offensichtlich kein Beitrag zur Beendigung des Krieges in der Ukraine. Wir halten diese Politik für falsch und sogar schädlich. Wir brauchen auf Dauer im eigenen Interesse ein gutes Verhältnis zu unserem größten Nachbarn – und zu den vielen russischstämmigen Menschen, die hier in Deutschland leben.
Die Verteidigung der Meinungsfreiheit wird zu einer immer wichtigeren politischen und gesellschaftlichen Aufgabe in diesem Land, in dem Bürger, die Politiker mit harmlosen Posts auf Social Media kritisieren, mit Geld- und sogar Haftstrafen rechnen müssen. Die neue Bundesregierung macht genauso weiter. Sie will künftig „Lügen“ verbieten – also die Lügen der anderen, versteht sich –, die „staatsferne Medienaufsicht“ soll festlegen, was darunter zu verstehen ist.
Unter dem Vorwand, „Desinformation“ abzuwehren, wird die Meinungsfreiheit systematisch eingeschränkt. Statt auf das gesunde Urteilsvermögen der Bürger zu vertrauen, wollen die Regierenden die Bürger bei der Mediennutzung an die Hand nehmen. Viele Menschen wagen nicht mehr, offen ihre Meinung auszusprechen. Diese Menschen können sich darauf verlassen, dass das BSW die Meinungsfreiheit verteidigt und sich dem immer aggressiver auftretenden Mainstream entgegenstellt.
Die anderen Parteien verweigern sich der konsequenten Aufarbeitung der repressiven, übergriffigen und unsinnigen Corona-Politik. Es bleibt deshalb ein zentrales Anliegen des BSW, ehrlich aufzuarbeiten und vor allem politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Das wäre nicht nur eine gesundheitspolitische Notwendigkeit, sondern auch eine Frage des politischen Anstands, nach allem, was geschehen ist. Das betrifft nicht nur die Bundespolitik. Auf dieser Ebene ist in der gegenwärtigen Zusammensetzung des Bundestags ohnehin nichts zu erwarten. Das betrifft auch ganz konkret die Politik in den Ländern. Den Opfern und Kritikern der Corona-Politik wollen wir eine Stimme geben.

Das Thema Migration war in den letzten Jahren zu häufig Gegenstand politischer Instrumentalisierung. Gelöst wurden die damit verbundenen Probleme nicht. Wir wollen aufräumen mit den Lebenslügen der Linksliberalen und die berechtigten Sorgen der Bürger wirklich ernst nehmen. Die Unterbringung der Flüchtlinge, ihre Versorgung, die vergleichsweise hohe Kriminalitätsrate unter migrantischen jungen Männern, das aggressive Auftreten islamistischer Gruppen – das sind reale Herausforderungen, die Menschen erleben es in ihrem Alltag. Wir werden nicht zu denen gehören, die ihnen erzählen, dass sie sich das alles nur einbilden. Wir wollen Migration begrenzen.
Deutschland erlebt eine tiefe und strukturelle Wirtschaftskrise. Sie ist hausgemacht. Auch Berlin und besonders die ostdeutschen Länder sind als Industriestandorte betroffen. Die Krise der PCK-Raffinerie in Schwedt schwelt weiter, mit Auswirkungen auf den gesamten Nordosten Deutschlands, der aus Schwedt mit Benzin, Diesel, Heizöl, Kerosin und Bitumen versorgt wird. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt. Die energieintensiven Branchen schicken einen Brandbrief nach dem anderen an die Politik. Viele Arbeitsplätze stehen auf der Kippe.
Die Herausforderungen sind groß: Insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen müssen entlastet, unsere Industriestandorte abgesichert, Arbeitnehmerrechte gestärkt und der Sozialstaat verteidigt werden. Dafür suchen wir ein gutes Verhältnis zu den Gewerkschaften, aber ebenso zu den Unternehmern und ihren Verbänden.
„Die Brandmauer ist kein Beitrag zur Rettung der Demokratie“Das BSW steht im kommenden Jahr vor wichtigen Landtagswahlen im Osten, unter anderem in Sachsen-Anhalt und Berlin. Wir treten dort nicht mit dem Ziel an, Teil einer Regierungskoalition mit den alten Parteien zu werden, sondern um den Wunsch vieler Menschen nach grundsätzlicher Veränderung in die Landtage zu tragen. Wir sind weder Teil des rot-grün-linken noch des sogenannten bürgerlichen Blocks. Im BSW engagieren sich Menschen aus unterschiedlichen politischen Traditionen. Wir wollen die Mitte der Gesellschaft vertreten.
Wir sind – bei aller Kritik an der AfD – auch nicht Teil der Brandmauer, sondern wollen alle von der Bevölkerung gewählten politischen Repräsentanten gleichbehandeln. Die Brandmauer ist in doppelter Hinsicht kein Beitrag zur Rettung der Demokratie: Erstens ist sie selbst undemokratisch und zweitens verhindert sie eben nicht den Aufstieg der AfD, sondern befördert ihn.
Wir treten an, um politische Veränderung durchzusetzen – nicht, um in Koalitionen mit den alten Parteien aufzugehen. Wenn unsere Kernforderungen umsetzbar sind, übernehmen wir Verantwortung. Wo das nicht der Fall ist, bleiben wir konsequent: als Opposition, die Druck macht und gezielt parlamentarische Mehrheiten für BSW-Positionen organisiert. So oder so gilt: Wo Wagenknecht draufsteht, muss auch Wagenknecht drin sein. Das gilt für die gewonnenen Mandate bei vergangenen Wahlen und übertragen auch nach einer Umbenennung der Partei. Sahra Wagenknecht ist der prägende Kopf der Partei und wird dies auch bleiben. Das erwarten die Menschen völlig zu Recht. Es geht um Verlässlichkeit, Geradlinigkeit, Klarheit.
Das BSW hat sich nicht gegründet, um wie alle anderen Parteien möglichst viele Ämter und Mandate zu verteilen, sondern um den politischen Ideen, für die Sahra Wagenknecht steht und die von vielen Menschen unterstützt werden, Resonanz und Wirkung zu verschaffen. Ausschließlich diesen Menschen und Ideen fühlen wir uns verpflichtet.
Zu den Autoren: Alexander King ist Co-Landesvorsitzender des BSW in Berlin und Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. John Lucas Dittrich führt die Partei in Sachsen-Anhalt an und ist Beisitzer im Bundesvorstand. Stefan Roth ist ebenfalls Beisitzer im Parteivorstand und zudem Abgeordneter des Brandenburger Landtags.
Berliner-zeitung